eine „neue realität“
Das Schießen eines Fotos dauert 1/125 Sekunde. Aber das ist nur der Anfang. Für mich als Fotokünstler ist die technische Aufnahme, wie sie aus dem Fotoapparat fällt, nur der Beginn einer längeren, mal kürzeren Transformation. Denn das, was ich auf der Aufnahme zuerst sehe, das reine Abbild der „Realität“ vor der Kamera, ist in der Regel nicht das, was ich am Ende sehen möchte. Das Model steht nicht vor dem Spiegel und ich bin keine Polaroidkamera. Der Weg zum finalen Bild führt über Belichtungskorrekturen, Schwarz/Weiß-Entfärbung, Farbwechsel, Raumerweiterung und Einfügen oder Löschen von Bildelementen mittels KI — mal ist mehr, mal weniger — aber immer etwas anderes — zu sehen als in der „Realität“. Meine Fotokunst faktifiziert durch Zufügen und Wegnehmen, durch Verfremden, aber nicht Entfremden, eine „Neue Realität“, eben einen anderen Blick, inspiriert durch den großen Andreas Gursky, der seine eigenen Fotografien als „Tableaus einer verschärften Realität“ beschreibt.

Farben
Mit dem was man neu-deutsch Color-Grading nennt ensteht in der Postproduktion ein ganz eigener Look.
alternativen
Abbilder einer alternativen Realität: Es tauchen Gegenstände auf den Bildern auf, die nie vor der Kamera standen, etwa Zapfsäulen, oder was Adobe Firefly dafür hält...
lichtfenster
Ein leerer Raum erschließt sich mit Licht und Schatten. Licht zeugt von einer Weite, Schatten von einer Struktur, die da ist, oder auch nicht? Ich öffne in „Lichtfenster“ den Hintergrund mit der Projektion eines gespiegelten Bildes, in dem Licht und Schatten vertauscht sind, einem Lichtfenster. Ob das Fenster in der „Realität“ vorhanden ist und wo es ist, ist irrelevant.
tiefer raum
Marginalisiert leerer Raum den Menschen, macht ihn einsam, uninteressant, klein? Nein. Er setzt den Fokus und macht den Menschen groß, der er will nicht klein sein. Der Blick des Betrachters läuft über das leere Bild und bleibt beim Menschen hängen. Der leere Raum um das Model wird zum fokussierenden Rahmen — der Mensch wird genau dadurch Mensch. In meiner „Neuen Realität“ schaffe ich im Bild den Raum um das Model, der ihm gebührt, der aber so in der „Realität“ vor der Kamera gar nicht vorhanden ist; das ist aber auch nicht nötig.
schönheit
Selbst wenn wir das Schöne nicht klar sehen können, spüren wir es, fühlen es — und sehen es. Wir sehen mehr, als wir sehen.
Das geübte Auge erkennt sofort meine großen Vorbilder Gerhard Richter und Thomas Ruff, die mich inspiriert haben — „Ich verwische, um alles gleich zu machen. Gleich wichtig und gleich unwichtig“ (G. Richter).